Juristisches Tauziehen hält an

Neuer Woelki-Sieg gegen "Bild" vor Gericht

Im Rechtsstreit mit der "Bild"-Zeitung hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wieder einen Sieg verbucht. Das Landgericht Köln verbot am Mittwoch dem Blatt erneut Aussagen über den Erzbischof. Damit ist das juristische Tauziehen aber längst nicht beendet. Denn der Axel-Springer-Verlag kündigte umgehend an, in Berufung zu gehen. Überdies ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft nach wie vor und parallel zum zivilrechtlichen Streit gegen Woelki wegen des Verdachts von Falschaussagen.

Auch bei der Anklagebehörde geht es wie in dem am Mittwoch entschiedenen Fall um einen 2017 von Woelki beförderten Priester. Dieser hatte 2001 einen sexuellen Kontakt zu einem 16-jährigen Prostituierten gehabt und in den Folgejahren weitere Vorwürfe übergriffigen Verhaltens auf sich gezogen.

Der Kardinal wehrt sich gegen die "Bild"-Darstellung von Mai 2021, er habe bei der Beförderung zwei belastende Dokumente aus der Personalakte des Priesters gekannt - ein Gesprächsprotokoll sowie eine Polizeiwarnung vor einem Einsatz des Priesters in der Jugendarbeit.

In einer eidesstattlichen Versicherung und auch bei einer persönlichen Anhörung des Landgerichts Ende März betonte er, nur von dem lange zurückliegenden und nicht strafbaren sexuellen Kontakt des Priesters mit dem 16-jährigen sowie von "weiteren Gerüchten" gehört zu haben, womit er unbewiesen gebliebene Vorwürfe meinte.

Laut dem Urteil der für Pressesachen zuständigen 28. Zivilkammer unter Vorsitz von Richter Dirk Eßer da Silva ist es der "Bild"-Zeitung nicht gelungen, die ehrenrührige Äußerung zu beweisen, Woelki habe die Inhalte der belastenden Dokumente zum Zeitpunkt der Beförderung gekannt. Weder die Vernehmung Woelkis noch die Anhörung von zwei Zeugen habe dies ergeben. Das Gericht hatte den ehemaligen Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Köln befragt: Oliver Vogt sagte aus, er habe Woelki zwei Jahre vor der umstrittenen Beförderung zwar Dokumente über den betreffenden Priester zukommen lassen, doch er könne sich nicht daran erinnern, ob die fraglichen Schriftstücke dabei waren.

Auch die frühere Sekretärin von Woelkis Vorgänger Kardinal Joachim Meisner sagte vor der Pressekammer aus. Sie berichtete, dass sie Woelki schon um das Jahr 2010 in seiner Zeit als Kölner Weihbischof über aus ihrer Sicht grenzüberschreitendes Verhalten des Priesters berichtet habe. Allerdings habe sie weder dessen Personalakte noch die Polizeiwarnung gesehen und mit Woelki daher auch nicht darüber gesprochen.

Ihre Aussagen bewegten die Kölner Staatsanwaltschaft allerdings dazu, zunächst abgelehnte Ermittlungen gegen Woelki wegen einer möglichen Falschaussage doch noch aufzunehmen. Der zuständige Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn, der vor dem Landgericht ein aufmerksamer Zuhörer war, stellte einen Abschluss der Ermittlungen für den Frühsommer in Aussicht. Ob er die Sache genauso oder anders bewertet wie die Pressekammer oder ob er zusätzliche Erkenntnisse hat, wird sich zeigen.

Unterdessen berichtete der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch) über eine weitere Anzeige gegen Woelki, ausgelöst durch eine seiner unter Eid getätigten Aussagen in dem Presseverfahren. Dabei werde die Frage aufgeworfen, ob der Kardinal einen strafbaren Meineid begangen hat. In Bezug auf eines der beiden Dokumente, ein Gesprächsprotokoll mit Vorwürfen eines Mannes, erklärte der Kardinal vor Gericht, dass ihm davon sogar "bis heute" niemand etwas berichtet habe. Demgegenüber verweise der Anzeigen-Erstatter auf einen Brief Woelkis vom November 2018 an die Glaubenskongregation in Rom. Darin werde über sämtliche Vorwürfe gegen den beförderten Priester berichtet, auch über das besagte Schriftstück.

Dazu erklärte das Erzbistum auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass das Schreiben Woelkis nach Rom zwar auf das Gesprächsprotokoll Bezug nehme, aber ohne Details zu übernehmen. Von daher gebe es keinen Widerspruch zu seinen Aussagen vor Gericht. Das von der zuständigen Fachstelle inhaltlich in eigener Verantwortung erstellte Schreiben habe der Kardinal zwar abgezeichnet. "Er kann sich aber nicht erinnern, das Schreiben gelesen zu haben", erklärte das Erzbistum. Die Staatsanwaltschaft konnte am Mittwoch den Eingang der Anzeige nicht bestätigen.

Damit nicht genug: Die Behörde ermittelt noch in einem weiteren Fall gegen Woelki. Auch hier steht der Verdacht im Raum, der Erzbischof habe im Rechtsstreit mit "Bild" eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Der fragliche Artikel thematisierte Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", Winfried Pilz (1940-2019). Der Geistliche verbrachte seinen Ruhestand im Bistum Dresden-Meißen, das vom Erzbistum Köln schon unter Meisner nicht über die Vorwürfe informiert worden war.

Woelki wehrt sich gegen die Darstellung, er habe sich persönlich mit der versäumten Meldung befasst und dabei gegen ein Nachholen der Information entschieden. In der Eidesstattlichen Versicherung betont er, dass er erst ab der vierten Juni-Woche 2022 mit dem Fall Pilz befasst gewesen sei. Auch hier ist das zivilrechtliche Verfahren abgeschlossen - das Landgericht gab Woelki Recht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter.

Mit dem neuen Urteil sind die Debatten über das Verhalten von Kardinal Woelki im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Fallen sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln also noch lange nicht abgeschlossen. Und auch das abschließende Urteil aus Rom steht weiter aus: Hat doch Papst Franziskus bis heute nicht über das von ihm selbst eingeforderte Rücktrittsangebot Woelkis entschieden.

Andreas Otto/KNA